Tag 4: Namche - Khunjung - Kunde

Dienstag 29. April 2025

Der Morgen, so schien es, war nicht eben freundlich zu mir; eine schlechte Nacht, unruhig, mit den unablässigen, kaum greifbaren Träumen, hatte mich in einen Zustand versetzt, der die Kräfte dämpfte und den Mut auf eine leise, aber stetige Weise anfraß. Vom sogenannten „amerikanischen Frühstück“ – es mutete mir in seiner Üppigkeit fast wie eine Provokation an – vermochte ich kaum die Hälfte zu verzehren; der Magen, widerspenstig und eigensinnig, schickte beständig Signale, die auf eine entschiedene Ablehnung des Angebots hinausliefen.

Der Plan, wie er am Vorabend gefasst worden war, bestand in einem Akklimatisierungsgang: von Namche über Khumjung und Kunde und wieder zurück. Es schien ein maßvolles, ja geradezu vernünftiges Unternehmen, und doch kostete mich schon der Beginn Mühe. Dinesh, aufmerksam und gütig wie stets, nahm mir den Rucksack ab – eine Geste, die ich nicht ohne leise Beschämung annahm. Denn trotz dieser Erleichterung blieb das Gehen beschwerlich, die ersten Meter führten über Treppen, roh aus Stein gefügt, und steile Anstiege, wie sie dem Atem und den Schenkeln gleichsam eine Prüfung auferlegen.

Doch immer wieder begegneten uns die freundlichen Gesichter der Nepali, ihr Lächeln ein stiller Zuspruch, begleitet vom tiefen, meditativen Drehen der großen Gebetsmühlen, die am Wegesrand standen. Und siehe, auf einer Höhe von 3.800 Metern geschah etwas Rätselhaftes: Die Beklemmung wich, die Schwere fiel von mir ab – weiß der Teufel warum.

Am Aussichtspunkt, wohin wir schließlich gelangten, empfing uns nicht nur ein wunderbarer Tee, dessen Wärme sich wohltuend durch den Körper zog, sondern auch ein Blick, der die Seele erschütterte: Mount Everest und Lhotse, in kristallener Ferne, klar und zugleich unnahbar.

Es war, als müsse man für diesen Augenblick einen Leitsatz formulieren – und so standen wir da, in unserer ungebändigten Mischung aus Staunen und Übermut: „Everything is unbelievable fucking great.“

Nach einem letzten, fast schelmischen Gruß an die sogenannte „verbotene Stadt“ wandten wir uns Khumjung zu.

Der Weg dahin war weich, breit, sanft bergab führend, und belohnte uns bald mit einem Ausblick auf die Ama Dablam – diesen Berg, der nicht allein durch seine Schönheit, sondern auch durch eine Aura von Schicksal und Tragik umgeben ist.

Hier, so schien es, verdichteten sich Ruhm und Gefahr zu einer seltsamen Einheit, denn auch der Name von Laura Dahlmeier, jener Ausnahmesportlerin, war mit der Ama Dablam verbunden. Sie hielt den Rekord für die schnellste Besteigung des Berges durch eine Frau – acht Stunden und vierundzwanzig Minuten.

Und doch nur drei Monate nach dem heutigen Tag: Am 28. Juli 2025 fand auch ihr Weg ein jähes Ende, fern von hier, am Laila Peak im pakistanischen Karakorum, wo sie in einer Höhe von etwa 5.700 Metern einem Steinschlag erlag.

Ama Dablam – auf Nepali „Mutter mit dem Halsband“ – trägt in ihrem Namen und in ihrer Gestalt das Sinnbild von Schutz und Fürsorge: Die langen Bergkämme wie ausgebreitete Arme, den hängenden Gletscher gleich einem „Dablam“, jenem Doppelanhänger, den die Sherpa-Frauen an ihren Hälsen tragen.

Nach einem leichten Abstieg erreichten wir Khumjung – ein Dorf, in dem alles auf eine friedliche Weise entschleunigt schien, …

… mit kleinen Läden, in denen ich einige Yak-Schals als Mitbringsel erwarb.

Kleine Stupas, von Wind und Wetter gezeichnet, und die behutsam aufgereihten Gebetssteine erinnerten unablässig an den hier tief verwurzelten Buddhismus.

Der Weg führte weiter nach Kunde, wo wir im Sherpa Rest Home einkehrten: eine gekochte Kartoffel als Gruß aus der Küche, sodann eine „mixed pasta“, wie sie schmackhafter kaum hätte sein können – in Summe wohl das beste Mahl, das wir bislang genossen hatten.

Auf dem Rückweg nach Namche besorgte sich Tobi noch etwas gegen kalte Füße, während ich, fast erstaunt über die eigene Verfassung, feststellte, dass der Abstieg, obgleich über große, unregelmäßige Steine und somit fordernd, keine Spur mehr von den Beschwerden des Morgens hervorrief.

Das Abendessen – Momos, wunderbar wie eh und je – wurde durch einen plötzlichen Stromausfall um 21 Uhr unterbrochen, nicht nur hier, sondern in der ganzen Stadt. Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass in der gesamten Region der Strom ausgefallen war und nun ein Ersatzteil für die Turbinen aus Kathmandu erwartet wurde.

In dieser Dunkelheit schließlich stießen wir noch auf das „Khumbu Kölsch“ – ein Fund, den wir jedoch, ob aus Skepsis oder Vernunft, unverkostet ließen.

Heute durften wir über 8,5 km einen Höhenunterschied von 570m zurücklegen.

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