Maginot Aquatique

13.4.2024

Eigentlich war nur eine deutsch-französische Fussballreise nach Metz geplant, aber an diesem Samstag Morgen im April wanderten die Gedanken in eine ganz andere Richtung.

Mitten in Lothringen, in der Nähe des malerischen Heimatdorf meines französichen Lieblingsschwagers Laurent treffen gewaltige Unterschiede aufeinander.

Der Tag begann mit einem wunderbaren französchen Frühstück in dem kleinen Elternhaus meines Schwagers zusammen mit seiner Mutter, die sich über unseren Besuch sehr gefreut hatte. Laurents Plan bestand dann darin die Seen der Gegend zu besuchen.

Es war ein wolkenfreier, windstiller Tag und der See lag dort in absoluter Ruhe und Stille, die man in den Bildern schon fast fühlen zumindest aber erahnen kann. Im Inneren wächst langsam eine Entspanntheit heran, die zum äußerlichen Bild passt.

Das Ufer ist bestückt mit vielen kleinen bunten Fischerhütten. Sie ragen mit ihren verschiedenen Farben und Baustilen auf Plateaus in den See hinaus und bilden zusammen eine lange farbenfrohe Kette nur unterbrochen von Sträuchern am Ufer.

Das Wasser war so ruhig, dass die Häuser und die Bäume sich wunderbar klar spiegelten und die Bilder auch kopfüber noch sehenswert sind.

Die Ruhe, Stille und Schönheit dieses Ortes täuscht über seine Vergangenheit hinweg. Dieser See und alle umliegenden Seen, waren Teil der Maginot Aquatique. Dieses Wissen legt einen Schatten über die äußerliche, aber auch über die innerliche Ruhe.

Natürlich ist die Maginot Linie als Bauwerk bekannt, es war der große Verteidungungswall, der Frankreich vor dem zweiten Weltkrieg zur Abwehr eines möglichen deutschen Angriffs bilden sollte. Hauptsächlich bekannt für seine unterirdischen, engen und beklemmenden Räume, die man an vielen geschichtsträchtigen Orten besichtigen kann.

In diesem Teil von Lothringen war aber die Natur der Baumeister der Hauptbestandteile der Verteidigungslinie.

Dieser geschichtliche Blick und das aktuelle Gefühl von Ruhe und Frieden an dieser Stelle liegen emotional ganz weit auseinander.

Mit einem letzten Blick auf die Seen in ihrer ganzen Ruhe, bewegten wir uns in das Tal, um zu sehen, wie es dort heute aussieht. Wie stellt sich heute die Gegend dar, in der am 14. Juni 1940 die Wassermassen geflossen sind.

Wie zu erwarten, ein Abbild der Ruhe und Abgeschiedenheit der Seen, so stellt sich auch der Bach und das von im durchflossene Gebiet dar. Dort wo diese Ruhe heute herscht sind bedrohliche Panzer irgendwie auch von der Natur aufgehalten worden.

Dort wo der französiche Schutzwall gegen die deutsche Bedrohung stand, dort wo deutsche Panzer in dieser, trotzdem irgendwie natürlichen, Sumpfsperre hängen geblieben sind, dort stehen jetzt der deutsche und französische Schwager gedankenverloren und sinnieren genau über diesen Gegensatz der damaligen Bedohung und den heutigen deutschen Touristen in dieser Gegend.

Wieder zuhause erschien mir der Gedanke, dass unsere Großväter sich damals dort auch begegnet sein könnten. Der Gedanke verschwindet auch schnell wieder und lässt mich doch irgendwie nachdenklich über die heutige Zeit hier bei uns zurück. 

Ob diese Form der Vertrautheit und des Zusammenlebens dann irgendwann mal zwischen Ukrainer und Russen oder zwischen palästinänsischen und jüdischen Menschen in Gaza auch kommt ist aktuell schwer vorstellbar.

Aber die Menschheit kann aus der eigenen Geschichte lernen: „Wer hätte sich das in Europa vor 80 Jahren vorstellen können? Es herrscht Frieden zwischen Deutschland und Frankreich. Die Menschen aus beiden Ländern wählen Abgeordnete für ein gemeinsames Parlament. Es vertritt außerdem die Bevölkerung aus 25 weiteren europäischen Ländern, von denen ebenfalls viele von den Nazis überfallen worden waren. In Europa herrschen demokratische Verhältnisse.“ (FR, 8.6.2024, Leitartikel)

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